Studie: Fahrbahn muss Anforderungen an Verkehrssicherheit genügen - Kommunale Investitionsoffensive für Infrastruktur nötig
Straßenschäden: ACE und IG BAU warnen vor Desaster
Berlin / Stuttgart (ACE) 03. Mai 2005 - Zahlreiche Straßen in Deutschlands Städten und Gemeinden drohen zu zerbröseln, falls Maßnahmen zur Substanzsicherung weiter vernachlässigt werden.
Auf einer Strecke von insgesamt 64.000 Kilometern ist das kommunale Straßennetz allein aufgrund bereits vorhandener Flickstellen heute schon so sehr beschädigt, dass unverzüglich saniert werden müsste. Die Kosten dafür betragen schätzungsweise 25 Milliarden Euro. Zu diesem Schluss kommt eine vom ACE Auto Club Europa und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) vorgelegte Studie über den "Zustand der kommunalen Straßeninfrastruktur". Die Expertise ist von beiden Organisationen sowie dem Institut für Straßenwesen Aachen (isac), am Dienstag in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
"Der volkswirtschaftliche Schaden wächst, wenn der Straßenzustand schlecht bleibt", sagte ACE-Chef Wolfgang Rose. Er verwies dazu auf die vorgelegte Studie, in der konstatiert wird, dass sich der Substanzverlust von Straßen etwa aufgrund verzögerter Sanierungsmaßnahmen oder billiger Flickschusterei weiter beschleunigt. In dem 46 Seiten umfassenden Papier heißt es, selbst bei höheren Verkehrsbelastungen ließe sich ein guter Zustand der Fahrbahnbefestigung unter bestimmten Voraussetzungen auch mit einfachen Mitteln erreichen. Dazu müsse für eine ausreichende Oberflächen- und seitliche Tiefenentwässerung gesorgt werden. Mit einer optimalen "Instandsetzungsstrategie" zum Schutze vor weiterer Schädigung würden Einsparungen von bis zu 25 Prozent ermöglicht. Bei der traditionellen "Baulichen Unterhaltung" werde dagegen nur geflickt. In Folge dessen verschlechtere sich die Substanz, während sich gleichzeitig der Überwachungsaufwand erhöhe. Laut Studie bewirkt ein Betrag von einer Milliarde Euro öffentlicher Mittel zum Aus- und Neubau von Straßeninfrastruktur einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 173 Millionen Euro. Die Investition hätte sich in sechs Jahren amortisiert und bis zu 18. 000 Arbeitsplätze erzeugt.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der IG BAU, Hans-Joachim Wilms, beklagte, dass es bei den kommunalen Infrastrukturinvestitionen in den vergangenen zehn Jahren einen Einbruch von neun Milliarden Euro auf 16,9 Milliarden Euro (-37,2 Prozent) gegeben habe. Der Gewerkschafter forderte eine kommunale Investitionsoffensive. Dafür müssten den Städten und Gemeinden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihre "erheblichen Infrastrukturdefizite" beseitigen könnten.
Nach Angaben des ACE erstreckt sich das kommunale Straßennetz bundesweit auf eine Gesamtlänge von 380.000 Kilometer. Das entspreche einem Anteil von 65 Prozent am gesamten Straßennetz in Deutschland. Der Club geht davon aus, dass insbesondere kommunale Verkehrswege wegen mangelnder Pflege und Sanierung zum Teil schon schwer beschädigt sind. Experten des Clubs sprachen in diesem Zusammenhang von einer "dramatischen Lage". Es drohe auch ein finanzielles Desaster. Aufgrund von Straßenschäden werde aber vor allem auch die Verkehrssicherheit schwer beeinträchtigt. Wegen der wachsenden Zahl von Schlaglöchern gingen zudem Stoßdämpfer, Radlager, Felgen und Reifen immer schneller kaputt.
Als ein Beispiel für die prekäre Lage vieler Kommunen nannte ACE-Chef Rose die Stadt Ludwigshafen. Das dortige Baudezernat beziffere den Aufwand für dringend erforderliche Maßnahmen zur Straßensanierung auf 80 Millionen Euro. Im laufenden Haushalt der Stadt seien jedoch lediglich 400.000 Euro dafür ausgewiesen worden. "Nach heutiger Rechtslage können Kommunen, die sich in einer derartigen Situation befinden nicht damit rechnen, aus der Bredouille geholfen zu bekommen", sagte Rose. Der Bund fördere zwar den Bau und Ausbau von kommunaler Verkehrsfläche in Höhe bis zu 90 Prozent der anfallenden Kosten. "Er gibt aber keinen Cent Zuschuss für Straßensanierung und Substanzpflege", beklagte der Chef des ACE. Er verwies dazu auf das entsprechende Klauseln enthaltende "Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden."
Weiter sagte Rose, mit der Vorlage der Studie verknüpfe seine Organisation die Forderung nach einer ehrlichen Bestandsaufnahme. "Was wir brauchen ist eine flächendeckende bundesweite Erfassung des Straßenzustands in unseren Kommunen und darauf aufbauend eine vorsorgende Strategie zur Substanzerhaltung des kommunalen Straßennetzes."
Schlaglöcher anzeigen
In der vergangenen Woche hatte der ACE stichprobenartig den Zustand in 150 Städten und Gemeinden unter die Lupe genommen. Dabei wurden auf einer Strecke von insgesamt nur 3.500 Metern 1.300 Schlaglöcher und sonstige Straßenschäden fotografisch dokumentiert. "Dort, wo wir Straßenschäden feststellten, zählten wir auf einer Strecke von jeweils 20 Metern durchschnittlich 7 Schlaglöcher", sagte Rose. Dem ACE sei durchaus bewusst, dass in Zeiten knapper öffentlichen Kassen nicht nur im Bereich der Verkehrswege Löcher zu stopfen seien. "Das ist aber keine Entschuldigung dafür, die gesetzliche Verkehrssicherungspflicht sträflich zu vernachlässigen." Dadurch werde nicht nur der Geldbeutel der Autofahrer sondern auch die Verkehrssicherheit in Mitleidenschaft gezogen. Rose: "Wenn man dem schlechten Straßenzustand partout etwas gutes abgewinnen wollte, dann sind Schlaglöcher möglicherweise so etwas wie ein Konjunkturprogramm für die Hersteller von Radlagern, Stoßdämpfern und Reifen. Ich fürchte aber, diese Betrachtungsweise finden Autofahrer nicht besonders lustig."
Der ACE rät Verkehrsteilnehmern, die infolge von Straßen- und Gehwegsschäden Schaden erleiden, Anzeige zu erstatten und zu prüfen, ob Schadenersatzforderungen zu stellen sind. Wichtig sei es Zeugen beizubringen, die Unfallstelle zu fotografieren und bei Schlaglöchern die Maße (Breite / Tiefe) aufzunehmen. Schäden an Personen und Fahrzeugen müssten den zuständigen Behörden unverzüglich gemeldet werden. Ratsam sei es, auf Empfehlung seines Autoclubs einen versierten Verkehrsrechtsanwalt hinzuzuziehen.
Nach Beobachtung des ACE werden auf Grund des schlechten Straßenzustandes Kraftfahrzeuge immer mehr in Mitleidenschaft gezogen. Das betreffe besonders Bauteile wie Stoßdämpfer, Felgen, Reifen, Radaufhängung, Lenkung, Spurstangen sowie Radlager.
Um seiner "Aktion Schlagloch" den nötigen Nachdruck zu verleihen, hat der ACE ein Standardformular zur Anzeige von Straßenschäden und Schlaglöchern entwickelt. Das Formular kann unter www.ace-online.de/schlagloch ausgefüllt und versendet werden.